Gemeinsam die Herausforderung meistern 27. September 2015 „Wir erleben gerade eine Zeitenwende, eine globale Krise, die uns heute und in Zukunft in Baden-Württemberg herausfordern wird“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Landtag. Probleme, die früher fern schienen, wie die Bürgerkriege in Syrien und dem Irak, betreffen uns heute unmittelbar. „Wir können nicht länger so tun, als gingen sie uns nichts an“, so Kretschmann. Abschottung sei keine Alternative. Flüchtlingskrise kann nur gemeinsam gemeistert werden Weltweit sind derzeit 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Nach Baden-Württemberg allein kommen dieses Jahr mindestens 100.000, prognostizierte Kretschmann. „Diesen Menschen zu helfen ist unsere humanitäre Verpflichtung.“ Jetzt gehe es darum, die gewaltige Herausforderung zu meistern, die vielen Flüchtlinge gut unterzubringen und jene, die dauerhaft bei uns bleiben können, gut zu integrieren. Dafür brauche es eine Verantwortungsgemeinschaft aller staatlichen und gesellschaftlichen Kräfte in Baden-Württemberg, Deutschland und Europa, so Kretschmann. Dabei müsse aber auf die eigenen Kräfte Rücksicht genommen werden, um die Anstrengungen der Flüchtlingskrise und der Integration langfristig zu schaffen. Großen Dank an Helfer Kretschmann dankte den zahlreichen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, die sich unermüdlich für das Wohl der Flüchtlinge einsetzen. „Wir könnten ohne dieses ehrenamtliche Engagement diese Krise nicht bewältigen“, sagte er. Aber auch die hauptamtlichen Helfer machten viel mehr als sie müssten. „Für diese Welle der Hilfsbereitschaft und dieses große Engagement bin ich unendlich dankbar. Das macht mich als Ministerpräsident sehr stolz auf die Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger.“ Verachtzehnfachung der Erstaufnahmeplätze in drei Jahren Die Landesregierung habe in ihren Bemühungen von Anfang an auf eine breite Verantwortungsgemeinschaft gesetzt und als erstes Bundesland einen landesweiten Flüchtlingsgipfel mit allen relevanten Akteuren einberufen. Zahlreiche Maßnahmen zur Bewältigung der Situation wurden initiiert: So hat Baden-Württemberg die Zahl der Erstaufnahmeplätze in kürzester Zeit massiv aufgestockt, von 900 im Jahr 2012 auf heute 16.000. „Das ist eine Verachtzehnfachung in weniger als drei Jahren.“ Trotz immer noch ansteigender Flüchtlingszahlen – allein im September diesen Jahres kamen bisher 18.000 Menschen nach Baden-Württemberg – habe man es geschafft, sie alle unterzubringen. Das sei eine bedeutende Gemeinschaftsleistung von Land und Kommunen, betonte der Ministerpräsident. Neues Verteilzentrum für die bessere Zuteilung der Flüchtlinge In Heidelberg werde derzeit ein neues Verteilzentrum des Landes eingerichtet, in dem in Zukunft bis zu drei Viertel aller Flüchtlinge registriert, erkennungsdienstlich behandelt und medizinisch untersucht werden. Danach würden sie entweder direkt in die Kommunen geschickt oder in die Landeserstaufnahmezentren gebracht. „Dieses neue baden-württembergische Modell ist bundesweit einmalig und beschleunigt und entlastet enorm“, so Kretschmann. Das Land habe zudem die Polizei gestärkt, zusätzliche Sozialarbeiter eingestellt, die Flüchtlingspauschale für die Kommunen aufgestockt, ein Bauprogramm in Höhe von 60 Millionen Euro für den Bau von Flüchtlingsunterkünften ins Leben gerufen sowie ein Handbuch für ehrenamtliche Helfer herausgegeben. Verfahren dauern zu lange „Dreh- und Angelpunkt bei der Bewältigung der aktuellen Flüchtlingssituation ist jedoch die Verfahrensdauer“, unterstrich der Ministerpräsident. Derzeit dauere ein Asylverfahren im Schnitt fünf bis sechs Monate. Die langen Verfahrenszeiten habe er bereits vergangenen Sommer bei der Bundesregierung, angemahnt. „Die Ministerpräsidentenkonferenz hat im Oktober letzten Jahres einstimmig einen dramatischen Appell an die Bundesregierung gerichtet, die Verfahrensdauer zu verkürzen.“ Bisher habe das Bundesamt jedoch nur 50 neue Stellen für die Bearbeitung der Asylverfahren in Baden-Württemberg geschaffen, das sei zu wenig. Kürzere Asylverfahren würden die Erstaufnahmestellen massiv entlasten, so Kretschmann. Die Menschen würden nicht so lange im Ungewissen gelassen. Diejenigen mit guter Bleibeperspektive könnten schneller in die Kommunen gebracht und diejenigen mit schlechter Bleibeperspektive in die Erstaufnahmezentren geschickt bzw. schneller rückgeführt werden. Damit sinke auch der Anreiz für Menschen ohne Asylgrund, nach Deutschland zu kommen. „Jetzt kommt es darauf an, dass es sehr schnell zu Entlastungen kommt und die Verfahrensdauer sinkt.“ Gesundheitskarte entlastet die Verwaltung Der Ministerpräsident pochte noch einmal auf die Einführung der Gesundheitskarte. „Ich bestehe darauf, dass die Dinge, die bereits verhandelt worden sind, auch gemacht werden“, sagte er. Die Gesundheitskarte entlaste die Verwaltung und vereinfache die medizinische Versorgung der Menschen. „Ob jemand krank ist und zum Arzt muss entscheidet immer noch ein Arzt und kein Beamter in der Verwaltung“, sagte er. Er wies darauf hin, dass sich der Leistungskatalog der medizinischen Versorgung mit der Gesundheitskarte nicht verändere. Die Integration von Flüchtlingen in Deutschland ist nach Kretschmanns Ansicht eine schwierige, aber zu bewältigende Herausforderung. Es sei klar, dass jeder, der nach Deutschland komme, sich in die hier geltende Rechtskultur einfügen müssen, sagte Kretschmann. So müsse jeder zum Beispiel die Religionsfreiheit des anderen akzeptieren. Sehr gut gelungen sei bisher die Integration in das Bildungssystem. Kretschmann verurteilt Brandanschläge „Wir akzeptieren keine Gewalt gegen Flüchtlinge“, machte Kretschmann in seiner Rede deutlich. Wer Hass säe und Gewalt ausübe und Flüchtlingsheime anzünde, gegen den ginge man mit der ganzen Härte des Rechtsstaats vor.