Ein Jahr nach Fukushima: „Anschlag auf die Energiewende“ 13. März 2012 Mit der Mahnwache am Montag griff das Aktionsbündnis eine Idee auf, die der Arbeitskreis Umwelt des Bad Waldseer Gymnasiums vor Jahresfrist angestoßen hat. Die Schüler luden damals zur ersten Mahnwache ein – und stießen auf sensationelle Resonanz: An die 250 Menschen folgten ihrem Aufruf und versammelten sich unter dem Eindruck der noch „frischen“ Katastrophenbilder aus Japan auf dem Rathausplatz. Der Gymnasiast Jan Herkommer, damals Mitinitiator, sagte am Montag: „Es hat mich gefreut, dass wir mit einer kleinen Idee Großes bewirkt haben.“ Der ersten folgten unter wechselnder Federführung jeweils montags neun weitere Mahnwachen – bis zum Sieg von Grün-Rot in Baden-Württemberg und dem sich abzeichnenden Atomausstieg auf Bundesebene. Für ihre Initiative erhielten die Schüler jetzt viel Lob und Anerkennung. Geradezu bewegt zeigte sich Waldsees „Umweltpapst“ Hubert Rauhut. Der 81-Jährige, der am Montag die Begrüßung übernahm, dankte den Schülern in herzlichen Worten. Andere Redner, darunter in Vertretung des Bürgermeisters auch Bernhard Schultes von den Freien Wählern und Uli Bamann vom Arbeitskreis Asyl, schlossen sich an. Friedenstaube und Kranich Die Mahnwache zum Gedenken an Tsunami- und künftige Strahlenopfer war eine ebenso würdige wie bunte Angelegenheit. Kerzenlichter flackerten, und eine ganze Reihe von Fahnen und Transparenten („Fukushima ist überall – AKWs jetzt abschalten“) flatterten. Die heimlichen Stars aber kamen aus der Tierwelt: eine weiße Brieftaube, die die Veranstalter zum Auftakt fliegen ließen und jede Menge papierner Kraniche, die der Kinderschutzbund zum Schluss verteilte. Sie standen als Symbole für Frieden und Hoffnung und eine atomfreie Welt in West und Ost. Dazu ließ die katholische Kirchengemeinde die Glocken von St. Peter läuten. Bernd Zander, Vorsitzender des Ortsverbandes der Grünen, verlas das Grußwort der Wahlkreisabgeordneten Brugger. Die Grünen-Parlamentarierin erinnerte an die Opfer der Katastrophe, an die „Vielen, die durch den Tsunami ihr Leben oder ihre Angehörigen verloren haben“, aber auch die „die bis heute nicht in ihre verstrahlten Dörfer und Städte zurück können, an die, die durch die freigesetzte Strahlung erkrankten und an die vielen Ingenieure und Arbeiter, die ungeachtet der Gefahr für ihr eigenes Leben alles taten und tun, um die Folgen der Atomkatastrophe einzudämmen“. Ausstieg dank Kretschmann In Deutschland, so Agnieszka Brugger, hätte „Schwarz-Gelb nur ein Vierteljahr vor dem Unglück noch den Ausstieg aus dem Atomausstieg inszeniert und Laufzeitverlängerungen für die deutschen AKW beschlossen“. Unter dem Eindruck der Katastrophe sei es nun „endlich zum Umdenken“ gekommen. Die Laufzeitverlängerungen seien gestrichen, die acht „ältesten und unsichersten AKWs direkt abgeschaltet und schließlich unter Mitwirkung des neu gewählten baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann ein neuer Ausstiegs-Fahrplan vereinbart“. Weiter sagte MdB Brugger: „Dieser gesellschaftliche Konsens, der nun auch große Teile der CDU einschließt, ist eine hoffnungsvolle Entwicklung. Allerdings reicht es natürlich nicht, nur aus der Atomenergie auszusteigen – wir brauchen auch den konsequenten Einstieg in eine neue Energiepolitik. Doch, leider, an dieser Konsequenz mangelt es der Regierung von Bundeskanzlerin Merkel bislang. Wieder einmal zeigt sich gerade die CDU als die wahre „Gegenpartei“ in diesem Land.“ Anschlag auf Wirtschaft Kaum sei die Solarindustrie auf einem guten Weg, würden schon wieder die alten Reflexe wach, und es werde „alles getan, um diese positive Entwicklung abzuwürgen – eine klare Kampfansage an die deutsche Solarwirtschaft“. Dazu passe leider auch, dass der Netzausbau nur schleppend voran gehe – der Grünen-Abgeordneten zufolge „nicht weil die Bürger vor Ort dagegen protestieren, sondern weil die Netzbetreiber nicht in die Gänge kommen und die Bundesregierung diesen keinen Druck macht“. Und wenn Rösler die EU-Energieeffizienz-Richtlinie ausbremse und zur Unverbindlichkeit hin „flexibilisieren“ wolle, dann sei das nicht nur „ein Anschlag auf die Energiewende, sondern auch auf die künftigen Weltmarktchancen der deutschen Wirtschaft insgesamt“. Für Agnieszka Brugger gehören zur Energiewende unbedingt die drei großen „E“: Erneuerbar – Effizient – Einsparung. Und, so die Abgeordnete, „diese müssen gleichgewichtig voran getrieben werden“. Doch dafür brauche es „ganz offensichtlich doch mehr Grün in den Parlamenten und Regierungen – Schwarz-Gelb kann das nicht und will es auch nicht“. Bildquelle: Jörg Kirn (privat)