„Poolnudelfahrt“ und Messergebnisse sorgen für Aufmerksamkeit

Nichts hätte den Sicherheitsabstand von 1,5 m zwischen Fahrrad und Auto deutlicher machen können als die bewegliche Schaumstoffstange, mit der Radfahrende am Samstag, 23. Juli bei der Veranstaltung der Grünen durch Waldsees Straßen fuhren. Bereits das Anbringen am Fahrradträger erstaunte die 150 cm abstehende Länge und auch während der Fahrt gab es überraschte Reaktionen, wozu auch einzelne Unmutszeichen und Schmährufe aus überholenden Autos heraus zählten.

Vor einem Pavillon auf der Grabenmühle hatten zuvor die Initiatorinnen Margarete Bareis und Gemeinderätin Tina Weng-Kastler die Besucherinnen und Besucher der Veranstaltung begrüßt und das Abstandsmessprojekt vorgestellt, das die Grünen in Eigenregie mithilfe von ADFC-Messgeräten mit dem Ziel durchgeführt hatten, die Verkehrssicherheit für Radfahrende in der Stadt zu erhöhen. OB-Stellvertreterin Lucia Vogel (Grüne) richtete ein Grußwort von OB Henne aus, in dem er sich bei allen am Projekt Beteiligten bedankte und zum Ausdruck brachte, dass „die Sicherheit von Radfahrenden stärker ins Bewusstsein Aller, vor allem in zukünftige Planungen, einfließen muss“. Sie kündigte an, die Daten an den OB weiterzureichen und äußerte sich zuversichtlich hinsichtlich der zu erwartenden Planungen und deren Umsetzung. Zu den Anwesenden zählten auch der Leiter des Tiefbauamts, Jürgen Bucher, sowie die Gemeinderäte Franz Daiber (FW) und Charly Schmidberger (SPD).

Von links: Margarete Bareis, Jürgen Bucher, Lucia Vogel

Anhand eines Stadtplans erläuterte Margarete Bareis die auf den verschiedenen Straßen ermittelten Daten. Schwerpunktmäßig wurden von den Organisatoren die Frauenberg-, Friedhof-, Wolfegger-, Bahnhof- und die Schützenstraße jeweils in beide Fahrtrichtungen ausgewertet. Besonders häufig wurde der Überholabstand unterschritten in der Frauenbergstraße bergauf mit 75 % (210 Messungen), in der Wolfeggerstraße bergauf mit 94 % (19 Messungen) und in der Friedhofstraße Richtung Westen mit 84 % (25 Messungen) jeweils unter 1,5 m. Der geringste Überholabstand der 570 ausgewerteten Messungen betrug 24 cm in der Frauenbergstraße, gefolgt von 37 cm in der Friedhofstraße. Vielfach zu eng wurden Radfahrende auch in der Bahnhofstraße, vor allem Richtung Norden überholt mit 70 % (111 Messungen) unter 1,5 m und über 30 % sogar unter 1 m. Zwischen 55 % und 66 % der Überholvorgänge in der Schützenstraße (60 bzw. 77 Messungen) lagen ebenfalls unter der vorgeschriebenen Marke von 1,5 m.

Der Blick in das Open Bike Sensor Portal, das der ADFC Landesverband Baden-Württemberg betreibt und das öffentlich zugänglich ist (s. Infos am Textende), zeigt, so das Fazit von Margarete Bareis, „dass in fast allen Straßen im Stadtgebiet und in den Teilorten, in denen im Mai Messfahrten stattfanden, der gebotene Sicherheitsabstand häufig nicht eingehalten wurde. Damit wurde erstmals das subjektive Empfinden beim Radfahren mit Zahlen untermauert.“ Diese belegen ein Gefahrenpotential, dem Radfahrende täglich ausgesetzt sind.

Auch wenn die Anzahl der Messungen variiert, fordern die Zahlen zum Handeln auf“, so Stadträtin Tina Wenig-Kastler, die eine ganze Sammlung von Maßnahmen vorstellte, die sich an alle Beteiligten richten. So müssten Autofahrende ihr Fahrverhalten ändern, Radfahrende sollten nicht zu weit rechts fahren, die Presse könne eine Aufklärungsserie veröffentlichen, die Stadt könne Rotmarkierungen auf Schutzstreifen sowie Fahrradpiktogramme an den Fahrbahnrändern anbringen, die optisch darauf aufmerksam machen, dass Radfahrenden Platz einzuräumen ist, Geschwindigkeitsreduzierungen, wie sie z.B. im Rahmen des Lärmaktionsplans beschlossen wurden, wären ebenfalls ein Schritt für mehr Sicherheit für Radfahrende. Die Polizei wäre gefragt, Gebote durch Kontrollen durch zu setzen.

Straßenbanner Foto: Leon Kirn

Ein Besucher lobte die Messaktion ausdrücklich „auch wegen der Sicherheit für die vielen fahrradfahrenden Schüler“, die unter anderem auch auf der alten B 30 entlang des Wertstoffhofs gefährlichen Situationen ausgesetzt seien. Noch vor Beginn der abschließenden „Poolnudelfahrt“ übergaben die Organisatorinnen OB Stellvertreterin Lucia Vogel und dem Leiter des Tiefbauamts Jürgen Bucher ein großes Straßenbanner, auf dem der 1,5 m – Abstand großflächig anschaulich dargestellt ist. Damit kann sogleich eine Abstandskampagne gestartet werden, die sich die Initiatorinnen von der Stadt wünschen.

Einige der Anwesenden machten Gebrauch von der aufgestellten Kummerbox, in die Schwach- und Gefahrenstellen für Radfahrende in Bad Waldsee und den Ortschaften eingeworfen werden konnten. Diese werden an den Städtischen Radverkehrsbeauftragten weiter geleitet.

Infos:
Das Messprojekt wurde in Kooperation mit dem ADFC Landesverband Baden-Württemberg durchgeführt. Alle Messdaten aus Bad Waldsee sind öffentlich zugänglich im Open Bike Sensor Portal, das vom ADFC Baden-Württemberg betrieben wird: https://obs.adfc-bw.de
Signalwesten für Radfahrende mit einem Abstandspiktogramm können im online-shop des ADFC Berlin bezogen werden: https://adfc-berlin.de