War es die Aktualität des Themas angesichts einer erstarkenden AFD? War es das Interesse an der NS-Zeit in unserer Region, oder war es der Wunsch, den bekannten Filmemacher Leo Hiemer einmal persönlich zu erleben? Vermutlich eine Kombination aus allen drei Motiven führte dazu, dass die Hägeschmiede am vergangenen Dienstag bis auf den letzten Stuhl besetzt war.

Der SPD-Ortsverein Wangen sowie der Ortsverein Wangen/Achberg/Amtzell von Bündnis 90/Die Grünen hatten zum gemeinsamen Filmabend mit Regisseur Leo Hiemer eingeladen, gezeigt wurde Hiemers Werk „3 Filme gegen Rechts“. Nach der Begrüßung durch die jeweiligen Vorstandsmitglieder Matthias Hermann und Christian Schlumpberger führte der Regisseur selbst mit launigen Worten in den Abend ein.

Überraschung und Beklemmung

Der Kurzfilm „Hitler in Landsberg“ erzählte die Geschichte von Hitlers Haftzeit in der Festung Landsberg, und zwar in den durchaus markigen Worten seines damaligen Gefängniswärters, was nicht immer ohne Komik war. Von den fünf Jahren, zu denen Hitler nach seinem gescheiterten Putschversuch 1923 verurteilt worden war, musste er übrigens nur ein einziges absitzen, und das recht komfortabel mit Besuchern, Bier und Wein. In dieser Zeit verfasste er auch seine Propagandaschrft „Mein Kampf“.

Es folgte der längere Dokumentarfilm „Kann Spuren von Nazis enthalten“. Dabei wurden Geschehnisse und Schicksale der Nazizeit in unserer Region aufgearbeitet, insbesondere am Beispiel von Memmingen und Kempten. Sicher war es für manchen Besucher neu, durch welche Zufälle etwa der jüdische Friedhof in Memmingen der Zerstörung entging, oder dass in Kempten zwei Außenstellen des KZ Dachau betrieben wurden. „Es war erschreckend zu sehen, dass die Aufarbeitung so vieler tragischer Schicksale auch heute noch in den Kinderschuhen steckt“, erklärte Christian Schlumpberger (Grüne) nach der Vorführung. Beklemmend wurde es auch, als das heutige Nazitreiben der Region am Beispiel von Rechtsrock-Konzerten und weitgehend ungestraft operierenden Neo-Nazis dokumentiert wurde.

Den Abschluss bildete der Interview-Kurzfilm „Wally Koch. Das Schicksal meiner Mutter Veronika Zettler“, in dem eine fast 90-jährige Allgäuerin davon erzählt, wie ihr als Zehnjährige die Mutter wegen „Wehrkraftzersetzung“ genommen wurde: Ein Nachbar hatte sie denunziert, weil in der familieneigenen Gastwirtschaft ein Hitlerbild falsch an der Wand hing – das führte letztlich zu ihrer Ermordung. Tröstlich war dabei einzig, dass sich die alte Dame nach so vielen Jahrzehnten dennoch ihren Humor bewahrt hatte.

Angeregte Diskussion und Hoffnung auf mehr

Vom regem Interesse zeugte die anschließende Diskussion, die von Gerold Fix (GOL Wangen) moderiert wurde. Zahlreiche Nachfragen zur Entstehung der Filme und zur Arbeitsweise des Regisseurs, der übrigens auch für die Musik in seinen Filmen verantwortlich zeichnet, wurden von Leo Hiemer ausführlich und humorvoll beantwortet. Ob Hiemer bereits an einem neuen Film arbeitet, ließ er offen. Ein Film über den Nationalsozialismus im württembergischen Allgäu wäre jedenfalls von großem Interesse, da waren sich alle Gäste einig.

Einigkeit bestand auch darin, dass es wichtig ist mehr junge Leute mit dem Thema Faschismus zu erreichen. „Wir konnten mit Plakaten und Social Media-Aufrufen zwar wieder viele politisch Interessierte erreichen, aber gerade Schülerinnen und Schüler oder junge Erwachsene mit solche Abenden zu erreichen bleibt schwierig“, so Matthias Hermann (SPD). „Gerade erst war eine Klasse der beruflichen Schulen Gast im Gemeinderat. Solche Kontaktpunkte sind großartig und helfen uns auf kommunaler Ebene ungemein um Barrieren abzubauen und auch jungen Leuten für unsere Demokratie zu begeistern.“, hält der SPD Vorsitzende fest.