Haushaltsrede 2025 Haushaltsrede der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Kreistag Ravensburg zur Haushaltssatzung 2025 Wow, diese Perspektive auf den Kreistag macht nochmals deutlich, wie wenig Frauen diesem Gremium angehören. Es ist in keiner Weise ein Abbild unserer Gesellschaft. Umso mehr sehen wir uns als Grüne Fraktion verpflichtet, uns für die weibliche Hälfte des Landkreises und deren Themen besonders zu engagieren. Ebenso sind uns die Bedürfnisse vor allem von Kindern und Jugendlichen, Familien und sozial Schwachen ein großes Anliegen, da die Konsequenzen der Nichtbeachtung dieses Teils der Bevölkerung für unsere Gesellschaft zu oft unterschätzt werden. Sehr geehrter Herr Landrat Sievers, sehr geehrter Herr Dr. Honikel-Günther, sehr geehrter Herr Baur, sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landratsamts, werte Kolleg*innen im Kreistag, liebe Mitbürger*innen hier im Sitzungssaal und im Landkreis Ravensburg, heute darf ich, als Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen – dieses Amt habe ich gemeinsam mit meiner Kollegin Elke Müller zu Beginn dieser Legislatur übernommen – die Rede zu den beiden Haushaltsjahren 2025 und 2026 halten. Die letzten Monate waren vor allem geprägt durch die schwierig gewordene finanzielle Situation in den Kommunen und im Landkreis. Entsprechend stehen nun schon bereits abgeschlossen geglaubte Entscheidungen zu Investitionsvorhaben wieder zur Disposition und es gilt abzuwägen was zu priorisieren ist. Wo vor noch gut einem Jahr alles umsetzbar schien, müssen wir nun Abstriche machen und dies ist deswegen so schwierig, weil alle derzeit anstehenden Vorhaben eine große Berechtigung haben. Die Ausschüttung der OEW und die Erhöhung der Kreisumlage – wir halten die Erhöhung auf 32 Prozentpunkte richtig, können aber auch teilweise bei 31 Punkte mitgehen – sind wichtige und unabdingbare Voraussetzungen für die anstehenden Aufgaben, aber auch sie sind in ihrem Umfang begrenzt. Hier sei angemerkt – eine komplette Verschiebung der Verlustausgleiche der OSK nach 2027/2028, lässt das Geld für Schulbau-und Sanierungsprogramme in diesen Jahren fehlen. Aber wo sehen wir aktuell die größten Handlungsbedarfe? Investition in die Bildung unserer Jugend. Eine gute Bildung und Ausbildung ist die Basis unserer demokratischen Gesellschaft und das Bollwerk gegen Rechtsextremismus. Die Entwicklung unserer Schulen beobachten und begleiten wir deshalb sehr genau. Gerade an unseren Kreisschulen kann eine Zunahme der Radikalisierung und Demokratiefeindlichkeit beobachtet werden. Darum muss dringend neben der Investition in Gebäude und Infrastruktur auch an die Aufstockung der Schulsozialarbeit gedacht werden, sie ist heute dringender denn je. Eine wie auch immer geartete Streckung oder Verschiebung unserer großen Bauprogramme kann nicht zu Lasten der Schulen gehen, für uns gilt nach wie vor Bildung zuerst! Daher stehen wir weiterhin für den Neubau der Edith-Stein-Schule, solange wir keine belastbaren Vergleichszahlen für die Sanierung des beruflichen Schulzentrums und dem von der Verwaltung vorgeschlagenen Erweiterungsbaus vorliegen haben. Der Antrag liegt Ihnen vor. Die Basis für eine gute Gesundheitsversorgung im Schussental und Westallgäu bildet die funktionierende Zusammenarbeit der beiden Häuser der OSK mit den ortsansässigen Ärztinnen und Ärzten, den Hebammen und den Pflegeeinrichtungen. Wir sind mit dem Elisabethenklinikum in Ravensburg und dem Westallgäuklinikum in Wangen als Grund- und Regelversorger, gut aufgestellt und wollen das auch bleiben. Deshalb gilt es diese Einrichtungen, gerade im ländlich geprägten Allgäu, zu erhalten, zu sanieren und wo nötig auszubauen. So stellen wir die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung auch über die Landkreis- und Ländergrenzen hinaus sicher. Übrigens, die Geburtenrate in Wangen von über 700 Geburten im Jahr 2024 zeigt, wie gut und richtig die Entscheidung war, die Geburtshilfe im Westallgäuklinikum in Wangen zu belassen. Mit dem Ausbau der medizinischen Versorgungszentren (MVZ) im Landkreis und einer möglichen Beteiligung am MVZ im bayrischen Lindenberg, kann die ambulante Gesundheitsversorgung der Menschen verbessert und den Betroffenen schneller geholfen werden. Auch für die Pflege gilt Kooperationen fördern und die bestehenden Standards weiterentwickeln. Investition in die Zukunft bedeutet für uns, sich der Verantwortung zu stellen und eine mutige Entscheidung zu treffen. Seit über fünf Jahren diskutieren wir im Kreistag, wie eine Zusammenlegung der Verwaltung wirtschaftlich, ökologisch und nachhaltig aussehen könnte. Frau Sigg, Ihnen und Ihrem Team gilt unser großer Dank, für die unglaubliche Energie, die Sie in die Planungen der Zentralisierung der Verwaltung in den letzten Jahren investiert haben. Unsere Fraktion hat großes Vertrauen in Ihre Planungsleistungen und unterstützt mehrheitlich den Vorschlag der Verwaltung am Standort des Kreishauses 2 in der Gartenstraße einen platz- und ressourcenschonenden neuen Verbindungsbau umzusetzen. Die vernünftigen Einsparungen bei diesem Neubau tragen wir selbstverständlich mit. Abstriche vom selbst aufgelegten Leitfaden für Nachhaltiges Bauen, dem LNB, dürfen jedoch nicht sein. Wir und hier meine ich den gesamten Kreistag, können nicht mehr hinter unsere selbst beschlossenen Ansprüche zurück. Deshalb stellen wir den Antrag, an der Anwendung des LNB mit einer Zielsetzung von 850 Punkten festzuhalten Der Antrag liegt Ihnen vor. Wir sehen diese Investition in eine innovative und richtungsweisende Zukunft des Landkreises als gerechtfertigt an. Die langfristigen Einsparungen durch diesen Neubau rechtfertigen diese Investitionen. Neben diesen großen und finanziellen herausfordernden Themen haben wir aber auch andere Bereiche im Blick, deren Wichtigkeit ebenfalls von großer Bedeutung ist. Jugend- und Soziales, Umwelt- und Naturschutz, Nachhaltige Energieversorgung und ÖPNV. In diesen Zeiten der Bedrohung von rechts ist die Beteiligung der Jugend auf der demokratischen, politischen Ebene von größter Wichtigkeit. Frühe Beteiligung an demokratischen Prozessen stärkt die Jugend gegen rechtsextreme Tendenzen. Eine passgenaue Jugendbeteiligung an der politischen Arbeit des Kreistags und am politischen Geschehen im Landkreis, in Form eines Jugendgemeinderats auf Kreisebene – Konstanz ist hier Projektlandkreis – könnte ein geeignetes Einstiegsformat sein. Wir sind verantwortlich für die Chancengleichheit unserer Kinder und Jugendlichen hier im Landkreis. Die soziale Kluft geht weiter auseinander, Gelder werden gekürzt an wichtigen Stellen, wie z.B. in der Erziehungshilfe und im Jugend- und Kinderschutz. Das wollen wir so nicht hinnehmen. Wir wollen weiterhin Familien in schwierigen Situationen Unterstützung anbieten. Bitte denken Sie daran, werte Kolleginnen und Kollegen: was den Kindern im Kindesalter an Unterstützung fehlt, rächt sich im Erwachsenenalter. Dazu Polizeipräsident Uwe Stürmer, Leiter des Polizeipräsidiums Ravensburg im Jugendhilfeausschuss, er meinte „Kürzungen im Bereich der Erziehungshilfe, insbesondere hochstrittige Familien, führen zu den Femiziden von morgen“. Seit langem fragen wir uns, warum die kreiseigene Energieagentur nicht früher und umfassender bei baulichen Maßnahmen mit einbezogen wird. Wir schätzen das dort vorhandene Fachwissen und die Expertise als regelrechten „Joker“ ein, der viel zu selten gezogen wird. Auch scheinen uns die Klimaschutzmanager der einzelnen Gemeinden wie Einzelkämpfer*innen und die fehlende Vernetzung als vertane Chance. Wir sollten mehr Ehrgeiz an den Tag legen, das, was in unserer Verantwortung auf Landkreisebene getan werden kann, auch zu tun. Umso mehr ist es unverständlich, dass die Stelle der Klimaschutzmanager*in nicht mehr besetzt ist. Sehr geehrter Herr Landrat Sievers, an dieser Stelle möchten wir Ihnen ausdrücklich für Ihr Bekenntnis zu einem klimaneutralen Landkreis und dem Ausbau der Erneuerbaren Energien danken, bitten Sie aber gleichzeitig darum, den Ausbau des Landkreis Ravensburg zum Solarlandkreis weiter voranzutreiben. Klima- und Naturschutz ist für uns nicht verhandelbar. Die Investitionen in den Moorschutz müssen konsequent weitergeführt werden. Moorschutz ist eine der wirkungsvollste Methoden, CO2 zu speichern. Hier gilt es sich gut einzubringen, um den knappen Faktor Fläche nicht über Gebühr zu belasten. Flächen sind eben auch unternehmerische Produktionsfaktoren, die für eine standortgerechte ökologisch wertvolle Landwirtschaft elementar sind. Deshalb sind Projekte wie z.B. die Biomusterregion unbedingt aufrecht zu erhalten oder gar auszubauen. Auch unsere Fachschule für Landwirtschaft muss leistungsfähig und professionell sein. Möglicherweise bedeutet dies in Zukunft darüber nachzudenken ob und wie vertiefte Zusammenarbeit mit Nachbarlandkreisen und dem LAZBW in Aulendorf eingegangen werden kann. Für uns gilt, die Landwirtschaft muss unternehmerisch leistungsfähig sein und standortgerechten Nachhaltigkeitsaspekten gerecht werden. Dort wo sich Betriebe unternehmerisch entwickeln, darf das Landratsamt nicht der bürokratische Hemmschuh dafür sein. Danke an dieser Stelle an Moritz Ott vom Landschaftserhaltungsverband. Durch die wertvolle Bildungsarbeit im NaTour.Bauwagen wird die wichtige Arbeit für die Biodiversitätsstrategie konsequent weitergeführt. Auch wenn die letzten Jahre über die Einführung der verschiedenen Regiobuslinien im Landkreis und auch dem sonstigen Ausbau des ÖPNV viel Gutes entstanden ist – dafür möchten wir Ihnen Herr Dr. Honikel-Günther, mit Ihrem Team im Amt für Nachhaltige Mobilität unseren Dank für die konsequente Umsetzung des Nahverkehrskonzepts aussprechen – klaffen immer noch Lücken vor allem in den dünner besiedelten Wohngegenden. Um diese Lücken zu schließen, werden wir aber ohne bürgerliches Engagement z.B. in Form von Bürgerbussen in Zukunft nicht mehr auskommen. Daher fordern wir als einen Ansatz Information, Unterstützung und Vernetzung von Mobilitätsprojekten jeglicher Art durch den Bodo-Verkehrsverbund. Dies wäre durch die Digitalisierungsstrategie, die der Verbundgeschäftsführer Bernd Hasenfratz mit seinem Team vorantreibt, vielen Dank an dieser Stelle für die zuverlässige Arbeit in der Bodo-Geschäftsstelle, zentral umzusetzen und durch die ÖPNV-Nutzer*innen abrufbar. Das Rad bleibt weiterhin die wichtigste Option für die letzte Meile. Um diese Gruppe der Verkehrsteilnehmenden sicher am Verkehr teilnehmen zu lassen, braucht es dringend den weiteren Ausbau von Radwegen. Hier muss die Prämisse „Sanierung statt Neubau“ bei Straßen gelten, um die weniger gewordenen finanziellen Mittel auch in diesen wichtigen Bereich der Radinfrastruktur fließen zu lassen. Die Wirtschaftsförderung wird durch die kreiseigene WIR kontinuierlich vorangetrieben und liegt bei der neuen Geschäftsführerin Maria Rigal in kompetenten Händen. Wenn wir unseren Wohlstand erhalten möchten, ist die Stärkung der regionalen Innovationskraft, umso wichtiger. Wir fördern die regionale Kreislaufwirtschaft, gehört der Landkreis doch zu denen mit dem niedrigsten Müllaufkommen und das soll auch so bleiben. Deshalb stehen wir für konsequente Abfallvermeidung ein. Ein Thema das uns noch länger beschäftigen wird, ist der Umgang mit Sperrmüll. Wir haben einen Blick darauf, wie sich die Abholung des Sperrmülls auswirkt und werden zu gegebener Zeit nachjustieren. Sehr geehrte Damen und Herren, sie konnten mitverfolgen, wie viele wichtige Themen wir uns für 2025 und 2026 vorgenommen haben und wie viele Themen auf uns zukommen werden. Ich hoffe, dass wir heute die richtigen und mutigen Entscheidungen treffen werden. Wir wollen unseren nachkommenden Generationen einen Landkreis bieten, der für sie lebenswert ist und bleibt. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landratsamts für Ihre Arbeit das ganze Jahr über ganz herzliche bedanken. Herr Dr. Honikel-Günther, Ihnen möchte ich für Ihre Arbeit und Einsatz im Landratsamt als erster Landesbeamter danken und wünsche Ihnen an Ihrem neuen Einsatzort bei der Stadt Ravensburg alles Gute. Wir lassen Sie ungern nach Ravensburg gehen! Wir, die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen vertrauen darauf, dass wir als Gesellschaft gemeinsam stark genug sind, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Gewinnen wir unsere Zuversicht zurück, finden wir unsere Stärke, handeln wir zusammen und solidarisch – für die Menschen in diesem Landkreis! Herzlichen Dank Elke Müller und Doris Zodel Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen