Mehr öffentliche Debatten und Transparenz!

Anlässlich der umstrittenen nichtöffentlichen Beratung über eine finanzielle Unterstützung des SEENEMA durch die Stadt gab es zu zwei Fragen veritable Diskussionen: Welchen Stellenwert hat eigentlich Kultur in unserer Stadt? Und: Warum wird solch ein Thema nicht gleich öffentlich behandelt? Viele Bürger kritisieren fehlende Transparenz, was nicht nur dem bekannten Vorurteil – „die mauscheln eh hinter verschlossenen Türen“ – Nahrung verleiht, sondern auch auf Dauer eine Abkehr von lokaler Politik und ihren Gremien zur Folge hat – die leeren Zuschauerplätze bei den öffentlichen Sitzungen zeigen das. Denn wird ein Thema in den Ausschüssen nichtöffentlich diskutiert, so findet häufig im Gemeinderat nur noch eine „abgespeckte“ Debatte statt. Der interessierte Beobachter kann nicht erkennen, wie die Rätinnen und Räte zur ihrer Position gelangt und welche Debatten gelaufen sind. Ergebnis: Langeweile und der Eindruck, es sei schon alles beschlossen. Daraus ergibt sich folgerichtig die Forderung nach mehr öffentlicher Beratung, wie es die Neufassung der Gemeindeordnung (seit 1.12.2015 in Kraft) vorsieht.

Die Gemeindeordnung

„Die Sitzungen des Gemeinderates sind öffentlich“ (§ 35), so formuliert die alte und neue Gemeindeordnung eindeutig. Nur „wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern“ darf/muss nichtöffentlich verhandelt werden. Die gefassten Beschlüsse müssen allerdings in der nächsten öffentlichen Sitzung „im Wortlaut“ bekanntgegeben werden.

Für die Ausschüsse gilt dies ebenso. Vorberatungen hier machen natürlich Sinn, aber auch diese Sitzungen „sind in der Regel öffentlich“ (§ 39). Der Bürgermeister entscheidet bei der Aufstellung der Tagesordnung darüber, welcher Tagesordnungspunkt öffentlich bzw. nichtöffentlich behandelt wird.

Behandlung in öffentlicher Sitzung ist also gewünschter Normalfall, Nichtöffentlichkeit die Ausnahme.

Vereinzelt mag die Entscheidung öffentlich/nichtöffentlich komplexer und nicht so leicht zu treffen sein. Dann kann ein „Ältestenrat“ eine Hilfe sein, den die Gemeindeordnung in § 33a als Kannbestimmung vorsieht. Dieser Ältestenrat berät den Bürgermeister „in Fragen der Tagesordnung und des Gangs der Verhandlungen des Gemeinderates“. Also z.B. welche Themen von den Gremien akut, in naher bzw. fernerer Zukunft behandelt werden sollen und in welcher Form. Sogenannte „Bürgermeisterrunden“ sieht die Gemeindeordnung nicht vor.

Vorberatung nötig und möglich

Nun haben Rätinnen und Räte das durchaus nachvollziehbare Bedürfnis, bestimmte Themen „geschützt“ vorzuberaten. Heißt, auch mal frei von der Leber, ohne Öffentlichkeit, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Oder Frau/Mann will sich erst genauer über Themen informieren. Oder die Verwaltung/Fraktionen möchten etwas „Unpopuläres“ initiieren bzw. beraten, ohne gleich die ganze Bürgerschaft „auf dem Hals zu haben“. Der Gemeinderat geht deshalb dann und wann in Klausur oder bildet aus gegebenem Anlass Arbeitsgruppen, um ein Thema zu bearbeiten. Vorberatungen finden in der Regel auch in den Fraktionen statt.

Jede Rätin, jeder Rat „outet“ sich in gewisser Weise in öffentlicher Sitzung und Debatte und muss manchmal in der Öffentlichkeit dafür geradestehen. Das bringt das Ehrenamt mit sich. Die Wortwahl mag deshalb oft diplomatischer sein, auf Äußerungen wird evtl. ganz verzichtet und nur die Fraktionsführung spricht, Emotionen werden rausgenommen. Die „Debatte“ leidet so schnell unter „Leblosigkeit“. Das alles (Meinungsbildung und Auseinandersetzung) ist ja bereits nichtöffentlich gelaufen. Diesen „Vorlauf“ kennt der Zuschauer nicht. Ihm scheint es, als sei alles „längst beschlossen“.

Transparenz stärkt Demokratie

Transparenz fördert das öffentliche politische Interesse und die lokale Demokratieentwicklung. Entscheidungsprozesse müssen für die Bürgerschaft transparenter und nachvollziehbarer sein, damit erhöht sich auch die Akzeptanz von Entscheidungen. In diesem Geist muss auch die Umsetzung der neuen Gemeindeordnung angegangen werden. Egal ob es sich um die Unterrichtung der Einwohner(§ 20, Amtsblatt), die Entschädigung für Betreuungsaufwendungen während der ehrenamtlichen Gemeinderatsarbeit(§ 19) oder die Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen(§ 41a) handelt.

Das SEENEMA-Desaster, das Drumherum und das Zurückrudern der Verwaltung hat politisch nicht gerade vertrauensbildend gewirkt und zu Recht die Menschen aufgeregt.

Öffentliches Tagen muss die Regel sein, Nichtöffentlichkeit die Ausnahme. Zu viel Nichtöffentlichkeit widerspricht dem Öffentlichkeitsgedanken der Gemeindeordnung.

Bernd Zander

-Sprecher-

Bündnis 90/Die Grüne

OV Bad Waldsee